Frauenbataillon by Heinz G. Konsalik

Frauenbataillon by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00


Verborgen hinter einem als schwimmende Insel getarnten Floß überquerten Marianka, Lida und Wanda den Donez an einer flachen Stelle nördlich der Ruinen, in denen sie Schanna vermuteten. Am Ufer zogen sie nur Bluse und Schlüpfer an, über die Füße streiften sie dicke Wollsocken. Es war ein verrückter Anblick: Die langen nackten Beine, darüber das Höschen, die Uniformbluse, umgürtet von dem Koppel, an dem die Munitionstasche hing, auf den tropfnassen Haaren das erdbraune Schiffchen, die Gesichter rußgeschwärzt. So schlichen sie das Ufer hinauf und verschwanden im Steppengras. Ihre langläufigen Präzisionsgewehre Moisin-Nagant 1891/30 mit den schweren Geschossen lagen quer über ihren Unterarmen. Sie robbten lautlos voran, dem zerschossenen Dorf entgegen, aus dem das Lichtzeichen, hinter dem sie Schanna vermuteten, gekommen war.

Leutnant Ugarow hatte eine Skizze des Dorfes angefertigt und das Haus, in das Plötzerenke gegangen war, genau bezeichnet. Im Scherenfernrohr war er deutlich zu erkennen gewesen. »Das ist er, mein Bullenschwanz!« hatte Marianka gejubelt. »Ihr Lieben, ihr habt ihn mir versprochen. Erinnert euch daran! Heute abend hole ich ihn mir!«

Sie näherten sich dem Haus von der Seite und bemerkten den schwachen Lichtschein, der durch einige Ritzen nach außen drang.

Marianka, die vorankroch, hob die Hand. Sie blieben liegen, entsicherten die Gewehre und starrten auf die Wand. Die Tür, nur zehn Sprünge weit entfernt, war angelehnt.

Aus dem Haus erklang Musik. Jemand spielte auf einer Mandoline. Er spielte laut und sang dazu mit rauher Stimme. Man hätte ohne Bedenken mit einem Wagen vorfahren können, ohne gehört zu werden.

Marianka erhob sich und winkte. Auch Lida und Wanda verließen das schützende Gras und gingen aufrecht, die Gewehre schußbereit an der Seite, auf das Haus und die angelehnte Tür zu. Sie gingen dicht nebeneinander, fast Hüfte an Hüfte, und noch immer tropfte ihnen das Donezwasser aus den Haaren und rann über ihre angespannten Gesichter.

»Ich weiß, was er singt«, flüsterte Lida. Sie war eine Studierte, hatte vier Semester Zahnmedizin hinter sich und wäre eine gute Zahnärztin in Gorkij geworden, hätte man beim Studenten-Sportkader nicht ihre unwahrscheinliche Treffsicherheit entdeckt. Der Große Vaterländische Krieg rief sie sofort, Zahnärzte waren im Augenblick nicht so wichtig, Scharfschützen brauchte man dagegen an allen Fronten. So kam sie, wie alle Mädchen, in die Spezialschule nach Veschnjaki bei Moskau und unter die Fuchtel von Oberst Nikiforowa und Olga Petrowna Rabutina. Nach vier Monaten Ausbildung gehörte sie zu den besten Schützen. Jetzt hatte sie 37 Treffer in ihrem Schußbuch. Alle waren stolz auf sie.

Marianka legte den Finger auf die Lippen. Lida lächelte zufrieden.

»Es heißt: Die Lorelei …«, flüsterte sie weiter. »Der erste Satz heißt: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …«

»Er wird es gleich wissen!« sagte Marianka und lächelte zurück. Sie waren noch drei Schritte von der angelehnten Tür entfernt.

In der Scheune kniete Unterarzt Ursbach neben Schanna und hatte vor ihr auf einem Handtuch sein chirurgisches Besteck ausgebreitet. Die schrecklich aussehende Schulterwunde hatte er bereits gereinigt. Jetzt bereitete er die Operation vor. Die Narkosespritze war schon aufgezogen. Schanna saß, gegen ein leeres Holzfaß gelehnt, auf dem Scheunenboden, hatte ein Stück Holz zwischen den Zähnen und biß darauf, wenn die Schmerzwellen sie zu überwältigen drohten.



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